Liebe Freundinnen und Freunde der L 319, der O 319, deren Derivate,
als seit nun auch schon wieder beinahe drei Jahren relativ stiller Teilhaber auf diesen schönen, meist ruhigen Seiten, sind mir die Forumsregeln natürlich immer wieder mal vor die Augen geflimmert:
„Jeder der sich neu anmeldet im Forum, sollte sich hier kurz vorstellen um ein wenig aus der Anonymität des Internets hervorzutreten und ein wenig gute Manieren zu beweisen. Auch diejenigen die denken es kennt sie jeder, werden gebeten sich die Mühe zu machen und ein wenig über sich zu schreiben, da ja auch die Neuankömmlinge sicher gerne wissen würden mit wem sie es hier zu tun haben.“
Sollte. Nicht muss. Gerade in Zeiten des Internet halte ich, umzingelt von Kameras und Mikrofonen und unter multipler Erfassung des jeweiligen Aufenthaltsortes, die Bewahrung der eigenen Anonymität für ein wertvolles Gut, wobei eine solche Haltung von einer ähnlichen, meist etwas weniger ehrbaren Heckenschützenmentalität abzugrenzen wäre. Jedenfalls gingen in dieser Grundhaltung die Tage und Monde ins Land der begrenzten Möglichkeiten, während unter der selbstaktivierten Beruhigung meines durchaus vorhandenen Gewissens Gedanken zur Frage um einen Hervortritt aus der Anonymität etwa beim betreten des Gasthauses Zum silbernen Stern in 03190 Benzheim eher in eine Richtung gehen, mich mit zuvor abgenommenem Hut und angedeuteter Verneigung dem ortsansässigen Stammtischpersonal vorzustellen, als mir dies etwa beim betreten des mehr schnell als Restaurants am Autohof in 63691 Nagelhofen in die mehr oder weniger koordinierten Sinne käme. So stehe ich zwischen Für und Wider in der Überlegung, der sich auf dem Erdball aufhaltenden Menschheit Einblicke aufzudrängen bzw. zu ermöglichen in etwas, was vielleicht für meinen Nachbarn interessant sein könnte, aber unwichtig ist.
Mani, der, der einiges auf dem Kasten hat, erinnerte an meine Manieren, indem er schrieb: „Hast du selbst einen 319 ? Bitte Stelle ihn uns auch mal vor .Ist es der auf deinem Profilbild ? Der wurde vor einiger zeit ja mal Verkauft .Gruss Mani"
Nun bin ich bei diesen Worten zwar nicht sofort hagedornrot angelaufen, aber da ich von Mani eigentlich wissen möchte, in welchem Farbton er den Innenraum seines wunderschönen Kastenwagens lackiert hat und diesbezüglich, weil ungeklärt, nachfassen will, damit ich mich eines Tages nicht im Farbton vergreife – (Mani hat sich wohl so dermaßen in das hagedornrot verguckt, dass er keine Augen mehr für meine Frage hatte, was man beim Anblick der großflächigen Schönheit absolut verstehen kann) – ist es nun vielleicht an der Zeit, ein paar Worte über den 319 in meinem Profilbild zu verlieren, obwohl die auch nachher noch da sind.
Zunächst: Wie kam es, dass es dazu kam?
Nun, nachdem ich praktisch zwischen zwei sich drehenden Mercedessternen aufgewachsen bin, einer leuchtete auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof, der andere auf dem Hochhaus im Werk Stuttgart Untertürkheim der sang- und klanglos untergegangenen Daimler-Benz A. G., beide in damals moderner, heute klassischer Erscheinung, weißer Stern im blauen Ring, bin ich seit frühester Kindheit wehrlos und mit nachhaltig anhaltender Wirkung vorgeprägt. Als ich das Licht der Welt erblickte, war es stockdunkel, schriftlichen Überlieferungen zufolge auf die Minute dreiundzwanziguhrsieben. Die beiden drehenden Mercedessterne waren um diese Uhrzeit sicher beleuchtet, das nähere Umfeld dürfte somit erleuchtet gewesen sein. Mein Geburtsgewicht mit exakt 3.500 Gramm war entweder geschätzt oder Präzision, die Körperlänge lag mit 53 cm in der Dimension des Durchmessers des Lenkrads, nahezu waagerecht liegend, elfenbeinfarben, im O 322, dem Linienbus der SSB, sprich der Stuttgarter Straßenbahnen, die somit nicht nur eine Schiene fuhren. Ein Jahr nach meiner Geburt, 1960, geschahen aus meiner heutigen Sicht zwei historisch ganz besonders bedeutsame Ereignisse:
1. Die SSB führten den O 322 ein, der mich später, dann schon etwas betagt (der Bus), bei jeder Mitfahrt grenzenlos faszinierte.
2. Im nahegelegenen Sindelfingen wurde unter hämmern und schweißen ein Führerhaus gebaut und auf ein Fahrgestell montiert, welches die Henninger-Bräu K. G. a. A. (Kommanditgesellschaft auf Aktien) dem Kaufmann Otto Römer finanzierte, der mit dem Schnell-Lastwagen im süddeutschen Landkreis Waldshut schnell durstige Kunden zu versorgen hatte. Finanzierung und Leasing sind also nichts Neues.
In Stuttgart Untertürkheim bauten derweil fleißige Schwaben beim Daimler für den angehenden Schnell-Lastwagen einen Motor vom Typ OM636/VII. Dieser wurde wohl alsbald nach Sindelfingen transportiert, um dort mit dem Fahrschemel unter bzw. in das Fahrgestell geschoben zu werden. Danach ging es nicht nach Waldshut, sondern erst einmal nach Frankfurt, wo der Henninger Turm mitten in seiner baulichen Entstehung war. Während der Henninger Turm oben Meter um Meter Höhenluft erklomm, waren bodenständig vermutlich einige L 319 auf der Baustelle, wahrscheinlich Kasten- und Pritschenwagen, letztere vielleicht mit Einfach- und Doppelkabine. Wie auch immer. Beeindruckt, oder auch nicht, unweit der Baustelle hatte Karosserie-Baumeister Hans Berger seit 1942 seinen Betrieb, der heute weiterentwickelt, noch als BERGER Karosserie- und Fahrzeugbau GmbH existiert. Aus dieser Meisterhand erhielt der L 319 D seinen Getränke-Aufbau, den auch heute noch das Qualitätssiegel ziert: BERGER KAROSSERIEBAU Frankfurt/Main. Der BERGER-Aufbau ist nicht nur hochwertig und zweckmäßig ausgeführt, sondern wurde zudem ausgesprochen werbeträchtig gestaltet. Der Aufbau besteht, neben dem Ladeboden aus Holz, vorne und hinten aus einer feststehenden Wand. Die Beladung erfolgt seitlich über klappbare Bordwände. Zum Schutz gab und gibt es auch heute noch eine rot/weiß gestreifte Plane. Wohl auch zur Stabilisierung trägt der Aufbau längs ein Reklameschild, welches die vordere und hintere Wand verbindet. Die Reklame auf diesem Fahrzeug zielt neben Henninger als Brauerei auch speziell auf das Henninger Karamalz ab. Dieses Nährbier gab es auch in meiner Kindheit zu besonderen Anlässen, beispielsweise bei körperlicher Schlappheit durch Erkrankung. Na dann, Prost! Leider gibt es die bauchige Flasche mit dem Bügelverschluss als Henninger Karamalz nicht mehr, die Henninger-Bräu AG ist heute eine Tochtergesellschaft der Radeberger Gruppe, Karamalz eine Marke der Brauerei Eichbaum, deren Geschichte wiederum eine Geschichte für sich ist. Leider ließe sich die Werbewirksamkeit in alter Erscheinung nicht vollumfänglich nutzen, wenn denn das Fahrzeug erst einmal wieder auf der Straße wäre.
Das nicht überall gute Stück habe ich vor ein paar Jahren gekauft, seither steht es und wartet auf mich. Der Originalbrief weist als Erstzulassung den 23.8.60 aus. Der Getränke-Schnell-Lastwagen wurde also an einem Dienstag in Dienst gestellt. Dies war noch vor meinem ersten Geburtstag und so war ich wohl zu jener Zeit näher an der Muttermilch als an der bauchigen Bügelflasche. Acht Jahre später, an einem Mittwoch, genauer gesagt am 16.10.1968 und damit an meinem 9. Geburtstag (… das könnte der gewesen sein, als ich von Gama bzw. von Oma den L 608 D als Feuerwehr mit Drehleiter und Anhänger, der Schlauch und Pumpe trug, bekam.. ) jedenfalls begann am Mittwoch, den 16.10.1968 das vorläufige Ende des Schnell-Lastwagens im süddeutschen Straßenverkehr. Was ist nur aus den 68er geworden? Die nächste Hauptuntersuchung wäre erst im April 1969 fällig gewesen.
Die Substanz des Fahrzeugs möchte ich als relativ gut bezeichnen, wobei relativ relativ ist, zumal Rahmenteile des Fahrgestells Rostschäden aufweisen und partiell ersetzt werden müssen. Das Führerhaus ruft auch nach Zuwendung, in den fahrgestellseitigen Hölzern des Aufbaus ist stellenweise der Wurm drin. Alles in Allem Arbeit, eine sehr schöne, eine mich erfüllen könnende, wenn es mir gelingt, den L 319 D in der Prioritätenliste nach vorne zu katapultieren. Bis dahin teilt der 319er das Schicksal weiterer Fahrzeuge, die nicht weniger Zuwendung und Lebenszeit verlangen, wohl wissend, dass letztere begrenzt ist, wenn auch nicht wo oder wann.
So viel zu Mani, Manieren und meinem L 319 D.
Ich werde mich im Versuch bemühen, ein paar Bilder anzufügen.
Harald2